Krisendiplomatie, Baerbock

Für die Außenministerin geht es zu einem weiteren Krisenherd.

10.01.2024 - 10:02:09

Krisendiplomatie: Baerbock trifft libanesischen Premier. An der Grenze zum Libanon stehen sich Israel und die Schiitenmiliz Hisbollah gegenüber. Es droht ein Flächenbrand.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen zwischen Israel und der Schiitenmiliz Hisbollah mit dem geschäftsführenden libanesischen Premierminister Nadschib Mikati zusammengekommen.

Bei dem Gespräch in der Hauptstadt Beirut dürfte es unter anderem um die Frage gehen, wie angesichts der sich verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Miliz ein Flächenbrand in der Region verhindert werden kann.

Anschließend will sich die Bundesaußenministerin bei einem Besuch der UN-Beobachtermission Unifil über die Lage an der nördlichen Grenze Israels zum Libanon informieren. Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen am 7. Oktober haben die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der mit der Hamas verbündeten Hisbollah deutlich zugenommen.

Spannungen in Grenzregion

Die Hisbollah feuert aus dem Libanon vermehrt Geschosse nach Israel ab. Israel reagiert darauf meist mit Angriffen auf Hisbollah-Stellungen im Libanon. Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer palästinensischer Terrorgruppen auf Grenzorte in Israel am 7. Oktober.

Unifil überwacht seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Der Blauhelmeinsatz gilt als eine der ältesten aktiven UN-Beobachtermissionen. Gegenwärtig sind etwas mehr als 10.000 Soldaten am Einsatz beteiligt. Die Bundeswehr ist mit rund 200 Soldaten dabei. Das Mandat lässt den Einsatz von bis zu 300 deutschen Soldatinnen und Soldaten zu.

Baerbock will sich im Hafen von Beirut auch auf der deutschen Fregatte «Baden-Württemberg» über die Arbeit der Bundeswehrsoldaten informieren. Das Schiff ist mit rund 120 Soldaten seit dem 20. Oktober im Unifil-Einsatz. Die Mission soll die libanesische Regierung unter anderem dabei unterstützen, die Seegrenzen zu sichern und den Waffenschmuggel über See zu verhindern.

Immer wieder tödliche Gefechte an der Grenze

Im von Unifil überwachten Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon kommt es nach dem Großangriff der Hamas auf Israel fast täglich zu Gefechten zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär. Nach der Tötung des Hamas-Anführes Saleh Al-Aruri Anfang Januar in der Hauptstadt Beirut ist die Sorge gewachsen, dass sich der Konflikt weiter auf den Libanon und die Region überträgt. Die Hisbollah vermutet Israel hinter der Aktion.

Pufferzone seit Ende 2006

Bereits mit Ende des zweiten Libanon-Krieges 2006 war eine Pufferzone im Südlibanon eingerichtet worden. Die UN-Resolution 1701 verbot den Einsatz libanesischer Hisbollah-Milizen südlich des Litani-Flusses, dem Grenzgebiet zu Israel. Das libanesische Militär sollte im Südlibanon stationiert werden. Die israelischen Truppen wiederum mussten sich hinter die Blaue Linie - die Grenze - zurückziehen.

Seit Ausbruch des Gaza-Krieges feuert die Hisbollah aber immer wieder auch aus der Pufferzone heraus. Israel dringt seitdem verstärkt in den libanesischen Luftraum ein. Es fordert den Rückzug der Hisbollah gemäß der Resolution 1701 nördlich des Litani-Flusses, der etwa 30 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Bisher hat die Hisbollah dem nicht zugestimmt. Analysten gehen davon aus, dass die Schiitenmiliz auf einen Kompromiss eingehen könnte, allerdings nicht ohne selbst Vorteile daraus ziehen zu können.

Zehntausende Vertriebene wegen wachsender Spannungen

Mehr als 76.000 Menschen im Libanon wurden nach Angaben der Organisation für Migration (IOM) wegen der wachsenden Spannungen seit Oktober bereits vertrieben. Ein Großteil davon stammt aus den Gebieten, die direkt an der Grenze zum Nachbarstaat Israel liegen. Auf israelischer Seite sind nach Angaben von Israels Verteidigungsminister Joav Galant mehr als 80.000 Israelis aus ihren Heimatorten im Grenzgebiet evakuiert worden.

Weiterflug auf die Philippinen

Am Nachmittag will die Bundesaußenministerin nach Südostasien weiterreisen. Auf den Philippinen, in Malaysia und in Singapur will sie bis Freitag ihre Kollegen Enrique Manalo (Philippinen), Mohamad Hasan (Malaysia) sowie Vivian Balakrishnan (Singapur) sowie Vertreter der Zivilgesellschaft treffen.

Im Fokus steht nach Angaben eines Sprecher des Auswärtigen Amts die Vertiefung der Beziehungen zu Schlüsselpartnern in der Region. Vor dem Hintergrund der zunehmend aggressiven Politik Chinas dort sollen zudem die Freiheit der Seewege und die maritime Sicherheit eine Rolle spielen. Außerdem soll es unter anderem um die Zusammenarbeit im Fachkräftebereich gehen.

Baerbock am Grenzübergang Rafah

Am Vortag hatte sich Baerbock nach einem Besuch am ägyptischen Grenzübergang Rafah zum südlichen Gazastreifen erschüttert über die humanitäre Not der Menschen geäußert und dringend einen besseren Zugang zu medizinischer und humanitärer Hilfe verlangt. «Das Leben in Gaza ist die Hölle. Menschen haben nichts zu essen, Menschen haben nichts zu trinken. Vor allen Dingen haben Menschen keine medizinische Versorgung», sagte sie am Abend in der ägyptischen Stadt Al-Arisch. «Die Krankenhäuser, die es überhaupt noch gibt in Gaza, müssen funktionieren können», sagte die Bundesaußenministerin.

@ dpa.de