Ausland, Fahnen von EU und Großbritannien

EU-Politiker beklagen Blockade von Post-Brexit-Verhandlungen

01.08.2020 - 18:26:35

Führende Europa-Abgeordnete appellieren an Großbritanniens Premier Boris Johnson, die Verhandlungen über das Handelsabkommen zwischen dem Königreich und der EU nicht zu blockieren.

Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte David McAllister (CDU), Brexit-Beauftragter des Europaparlaments, dass die EU der britischen Regierung ein Angebot unterbreitet habe, das es in dieser Form noch nie für Drittstaaten gegeben habe. Es schränke die Exporttätigkeit Großbritanniens nach Kerneuropa praktisch nicht ein. 50 Prozent der Exporte des Königreichs könnten auch zukünftig zu besten Konditionen in die EU-Staaten gehen. Der durch die EU offerierte nach wie vor zollfreie Zugang zum weltweit größten Binnenmarkt sei ein sehr interessantes Angebot für die gesamte britische Wirtschaft, so McAllister. Jedoch habe dieser Zugang natürlich einen Preis. Im Kern müsse sich Großbritannien weiter an gewisse EU-Standards halten. Die Europäische Union verlange von den Briten als Gegenleistung ein klares Bekenntnis zum geltenden Wettbewerbsrecht, das faire Bedingungen beiderseits des Ärmelkanals schaffe. Dies lehnt Boris Johnson allerdings bislang kategorisch ab. Vielmehr pocht er auf die Unabhängigkeit Großbritanniens, das als künftig unabhängiger Staat seine eigenen, souveränen Entscheidungen auch zu Fragen des Wettbewerbs treffen werde. Andere offene Fragen betreffen Mindestlöhne und Verbraucherstandards. Bislang ist eine Einigung zwischen den Briten und der EU nicht in Sicht.

Großbritannien trat schon Ende Januar aus der EU aus, gehört aber übergangsweise weiter dem europäischen Binnenmarkt und ebenso der Zollunion an. Die Übergangsfrist endet am Jahresende 2020. Sollte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gelingen, zwischen der EU und den Briten ein Handelsabkommen abzuschließen, droht der harte Brexit mit der Wiedereinführung von Zöllen und weiteren Handelshemmnissen. Schwer betroffen wäre davon nach der Meinung von Wirtschaftsfachleuten vor allem die Wirtschaft Großbritanniens. Ein Folgeabkommen könnte diese Folgen abmildern, doch die Verhandlungen dazu drehen sich seit Monaten im Kreis. Ein Haupthemmnis besteht darin, dass sich die britische Seite hartnäckig weigert, Klauseln für einen fairen Wettbewerb im Abkommen zu akzeptieren. Ebenso erscheint derzeit der Abschluss eines für beide Seiten akzeptablen Fischereiabkommens aussichtslos. Die Zeit drängt: Ein Vertrag müsste spätestens im Oktober 2020 unter Dach und Fach sein, damit er ab dem 01.01.2021 in Kraft treten kann. Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament, wirft Boris Johnson vor, seine politische Ideologie über die Interessen der eigenen Wirtschaft zu stellen. Er persönlich glaube, dass ökonomische Erwägungen bei Johnson praktisch keine Rolle spielen würden, so Lange zum RND. Wie ein Mantra wiederhole dieser stattdessen, wie wichtig für ihn die Unabhängigkeit Großbritanniens sei. Nach Johnsons Auffassung erlangt sein Land durch den Brexit eine neue Stärke. Lange verwies indes darauf, dass die Realität anders aussehe. Unter anderem habe es Johnson nicht geschafft, mit den USA ein Freihandelsabkommen abzuschließen. Diese hätten laut Lange inzwischen klargemacht, dass sie zunächst die Wahlen im November abwarten wollten. Damit fehlen den Briten Handelsabkommen mit ihren beiden wichtigsten Handelspartnern. Die Folgen könnten verheerend sein, doch das scheine Boris Johnson nicht zu interessieren, so der Europapolitiker Lange. Möglicherweise fehlten ihm dafür einfach die Fähigkeiten. Seine Krisenbewältigung bei der Corona-Pandemie sei schließlich auch nicht überragend ausgefallen. Viel zu lange habe er die Gefahr durch das Virus geleugnet, bis er schließlich selbst daran erkrankte. Das wecke große Zweifel an Johnsons Kompetenzen, so der Europa-Abgeordnete.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, A-055824

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