Russland, Ukraine

Es ist zum offenen Konflikt zwischen Söldnerchef Prigoschin und dem Kreml gekommen.

24.06.2023 - 14:49:58

Offener Machtkampf: Putin wirft Wagner-Söldnern Verrat vor. Ex-Präsident Medwedew geht davon aus, dass die Aufständischen einen Staatsumsturz planen.

  • Dieses Videostandbild zeig einen russischer Panzer in einer Straße in Rostow am Don. - Foto: Uncredited/AP/dpa

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  • Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, bei einer Videoansprache. - Foto: Uncredited/Prigozhin Press Service/AP/dpa

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  • Der russische Präsident Wladimir Putin spricht zur Nation. - Foto: Uncredited/Russian Presidential Press Service/AP/dpa

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Dieses Videostandbild zeig einen russischer Panzer in einer Straße in Rostow am Don. - Foto: Uncredited/AP/dpaJewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, bei einer Videoansprache. - Foto: Uncredited/Prigozhin Press Service/AP/dpaDer russische Präsident Wladimir Putin spricht zur Nation. - Foto: Uncredited/Russian Presidential Press Service/AP/dpa

In Russland hat sich der Konflikt zwischen der Führung in Moskau und der privaten Söldnertruppe Wagner zu einem beispiellosen Machtkampf entwickelt. Präsident Wladimir Putin brandmarkte den Chef und Gründer der berüchtigten Privatarmee, Jewgeni Prigoschin, in einer Fernsehansprache als Verräter.

«Das ist ein Stoß in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes», sagte Putin. Zuvor hatten die Söldner seines Ex-Vertrauten russische Militäreinrichtungen im Süden des Landes, nahe der Grenze zur Ukraine, unter ihre Kontrolle gebracht. Dort kam es auch zu Kämpfen.

Die mehreren Tausend Wagner-Kämpfer waren für Moskau bislang eine der wichtigen Gruppen im Angriffskrieg gegen die Ukraine. Prigoschin wirft dem russischen Verteidigungsministerium seit langem falsche Taktik und schlechte Führung vor. Seine Kritik richtete sich bislang vor allem gegen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow - Putin sparte er aus. Nun hielt er jedoch auch dem Kremlchef vor, sich schwer zu irren. Unklar war zunächst, welche Auswirkungen der innerrussische Konflikt auf den Kriegsverlauf hat.

Prigoschin galt bisher als Vertrauter Putins, den er zu dessen Zeiten als Beamter in St. Petersburg verköstigt hatte. Daher wird er auch «Putins Koch» genannt. Bislang konnte er sich Kritik erlauben, für die andere längst bestraft worden wären. Nun stellte sich der Kremlchef jedoch öffentlich gegen Prigoschin. Wer Waffen erhebe und bewaffneten Aufstand organisiere, werde bestraft, sagte Putin in seiner TV-Anspreche. Er forderte die Wagner-Kämpfer auf, ihre Teilnahme an kriminellen Handlungen umgehend zu beenden. Russlands Geheimdienst FSB ermittelt gegen Prigoschin wegen Putschversuchs.

Prigoschin: «Der Präsident irrt sich schwer»

Der Söldnerchef warf Putin daraufhin vor, die Lage völlig falsch einzuschätzen. «Der Präsident irrt sich schwer», sagte er in einer Sprachnachricht auf seinem Telegram-Kanal. Die eigene Rolle beschrieb er mit den Worten: «Wir sind Patrioten unserer Heimat.» Prigoschin kündigte an, «Korruption, Lügen und Bürokratie» in Russland zu beenden. Damit forderte der Söldnerchef, der nach eigenen Angaben über etwa 25.000 Kämpfer verfügt, erstmals auch Putin offen heraus. Die russischen Streitkräfte haben etwa 1,5 Millionen Angehörige.

In der Ukraine wurde die jüngste Entwicklung im Nachbarland genau verfolgt. Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte: «Jeder, der den Weg des Bösen wählt, zerstört sich selbst.» Der bewaffnete Aufstand sei ein klares Zeichen für Putins Schwäche, schrieb Selenskyj beim Kurznachrichtendienst Twitter. «Lange Zeit bediente sich Russland der Propaganda, um seine Schwäche und die Dummheit seiner Regierung zu verschleiern. Und jetzt ist das Chaos so groß, dass keine Lüge es verbergen kann.»

Prigoschin zufolge besetzten seine Kämpfer militärische Einrichtungen in der südrussischen Stadt Rostow am Don, wo sich das Hauptquartier des russischen Militärbezirks Süd befindet - eine Kommandozentrale für den Krieg gegen die Ukraine. Putin bestätigte in seiner Ansprache: «Faktisch ist die Arbeit von Organen der zivilen und militärischen Führung blockiert.» Über die Lage in dem an die Ukraine grenzenden Gebiet Rostow sagte er: «Sie bleibt schwierig.»

Ex-Präsident Medwedew: Aufständische planen Staatsumsturz

Die Aufständischen der Söldner-Truppe Wagner planen nach Angaben des Vizechefs des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, einen Staatsumsturz. «Es ist offensichtlich, dass es sich um eine gut durchdachte und geplante Operation handelt, deren Ziel es ist, die Macht im Lande zu übernehmen», sagte Medwedew nach Angaben russischer Agenturen. Die Aktionen derer, die den Militäraufstand organisiert hätten, passten «voll und ganz in das Schema eines gut durchdachten und orchestrierten Staatsumsturzes», so der frühere russische Staatschef.

Medwedew schloss nicht aus, dass am Aufstand auch frühere Mitglieder russischer Eliteeinheiten des Militärs beteiligt sein könnten - oder auch ausländische Spezialisten. Das zeige das hohe Niveau der Vorbereitung des Aufstandes und die gute Kontrolle der Truppenbewegungen. Den Chef der privaten Wagner-Armee, Jewgeni Prigoschin, nannte Medwedew nicht namentlich.

Auf dem Weg nach Moskau

Die Söldnereinheit Wagner erreichte nach Behördenangaben auf dem Weg vom südrussischen Rostow am Don nach Moskau inzwischen die Region Lipezk.

«Den Einwohnern wird dringend geraten, ihre Häuser nicht zu verlassen und auf Fahrten mit Verkehrsmitteln zu verzichten», schrieb der Gouverneur des Gebiets, Igor Artamonow, auf seinem Telegram-Kanal. Die Lage sei aber unter Kontrolle. Lipezk befindet sich etwa auf halbem Weg zwischen Rostow und Moskau - rund 400 Kilometer von der russischen Hauptstadt entfernt.

Moskaus Bürgermeister erklärt Montag für arbeitsfrei

Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin erklärte den Montag in der russischen Hauptstadt aus Sicherheitsgründen zu einem arbeitsfreien Tag und forderte die Bürger auf, zu Hause zu bleiben. «In Moskau ist der Anti-Terror-Notstand ausgerufen worden. Die Lage ist schwierig», räumte Sobjanin am Samstag auf seinem Telegram-Kanal ein. Die Schließung der Betriebe und die Bitte an die Bürger, daheim zu bleiben, diene der «Minimierung der Risiken». Es könne teilweise zu Straßensperrungen kommen. Ausgenommen von der Feiertagsregelung sind demnach die Macht- und Sicherheitsorgane, Rüstungsbetriebe und kommunale Dienstleister.

@ dpa.de

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