Erstmals seit zehn Jahren ist ein Bundespräsident wieder in der Türkei.
22.04.2024 - 14:30:27Steinmeier würdigt Türken-Beitrag zum deutschen Wohlstand. Frank-Walter Steinmeier geht es auch um ein besonderes Kapitel deutsch-türkischer Geschichte. Sein Besuch wird laut gestört.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Beitrag türkischer Migranten zum wirtschaftlichen Wohlstand Deutschlands gewürdigt. Heute lebten in Deutschland fast drei Millionen türkeistämmige Menschen, «die unsere Gesellschaft mitprägen, mitgestalten», sagte Steinmeier in Istanbul zum Auftakt seines dreitägigen offiziellen Besuchs in der Türkei. «Sie haben unser Land mit aufgebaut, sie haben es stark gemacht und sie gehören ins Herz unserer Gesellschaft.»
Steinmeiers Besuchsbeginn im historischen Bahnhof Sirkeci, von dem aus viele Türken in Richtung Deutschland aufgebrochen waren, wurde lautstark von einer Gruppe propalästinensischer Demonstranten gestört. Die etwa 50 Männer und Frauen skandierten auf einem Bahnsteig aus gut 50 Metern Entfernung Parolen und zeigten Plakate, auf denen nebeneinander Porträts von Steinmeier und Adolf Hitler sowie der blaue Davidstern und ein rotes Hakenkreuz zu sehen waren. Sicherheitskräfte konnten sie nicht abdrängen. Steinmeier setzte seinen Rundgang durch den Bahnhof aber unbehindert fort.
Er erinnerte in seiner Rede später daran, dass die deutsch-türkische Migrationsgeschichte auch in die entgegengesetzte Richtung verlaufen sei. Im 19. Jahrhundert hätten Armut und Arbeitslosigkeit Handwerker aus Deutschland nach Anatolien getrieben. Und in der Zeit des Nationalsozialismus sei die Türkei ein Zufluchtsort für viele deutsche Künstler und Intellektuelle geworden.
«Vier Generationen tragen entscheidend zu unserem Wohlstand bei»
«Während Deutsche in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die neue Hauptstadt Ankara mitentwarfen und -bauten, waren es die Gastarbeiter aus der Türkei, die seit den 60er Jahren die Wirtschaft der jungen Bundesrepublik mit aufbauten und die in mittlerweile vier Generationen entscheidend zu unserem Wohlstand beitragen», sagte Steinmeier.
Die Regierungen in Bonn und Ankara hatten 1961 ein Anwerbeabkommen unterzeichnet. Auf seiner Basis kamen nach Angaben des Auswärtigen Amts etwa 876.000 Menschen aus der Türkei nach Deutschland. Viele der sogenannten Gastarbeiter holten ihre Familien nach und blieben für immer. Die Geschichten türkisch-deutscher Einwanderer seien Teil unserer Geschichte, sagte Steinmeier. «Sie sind nicht Menschen mit Migrationshintergrund – Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund.»
Steinmeier wurde im historischen Bahnhof Sirkeci von Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu begrüßt, der bei den Kommunalwahlen soeben im Amt bestätigt wurde. Dieser gilt als Hoffnungsträger der Opposition und als möglicher künftiger Präsidentschaftsanwärter. Mit dem amtierenden Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wird Steinmeier erst am dritten Tag seines Besuches in der Hauptstadt Ankara zusammentreffen.