Wolodymyr Selenskyj, Olaf Scholz

Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist nicht in Sicht.

19.09.2023 - 17:47:44

Selenskyj wirbt in New York um Unterstützung. Umso wichtiger ist für Präsident Selenskyj Unterstützung bei der UN-Generaldebatte. Die USA machen klar: Wenn Kiew nicht sicher ist, ist es niemand.

  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (M) trifft zur 78. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen am ein. - Foto: Seth Wenig/AP/dpa

    Seth Wenig/AP/dpa

  • Annalena Baerbock, Olaf Scholz, und Steffi Lemke verfolgen die Rede von US-Präsident Biden bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung. - Foto: Michael Kappeler/dpa

    Michael Kappeler/dpa

  • Alexander Van der Bellen (r), Bundespräsident von Österreich, im Gespräch mit Olaf Scholz . - Foto: -/APA/PRK/dpa

    -/APA/PRK/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (M) trifft zur 78. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen am ein. - Foto: Seth Wenig/AP/dpaAnnalena Baerbock, Olaf Scholz, und Steffi Lemke verfolgen die Rede von US-Präsident Biden bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung. - Foto: Michael Kappeler/dpaAlexander Van der Bellen (r), Bundespräsident von Österreich, im Gespräch mit Olaf Scholz . - Foto: -/APA/PRK/dpa

US-Präsident Joe Biden hat die Weltgemeinschaft angesichts zunehmender Kriegsmüdigkeit aufgerufen, der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland auch zum eigenen Schutz beizustehen. «Die Welt muss der nackten Aggression heute entgegentreten, um andere potenzielle Aggressoren von morgen abzuschrecken», sagte Biden zu Beginn der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York im Beisein des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Biden beschwor den Zusammenhalt der 193 UN-Mitgliedsländer: «Wenn wir zulassen, dass die Ukraine zerstückelt wird, ist dann die Unabhängigkeit irgendeiner Nation sicher? Die Antwort ist Nein.» In der Nacht zum Mittwoch (MESZ) steht auch eine Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Generalversammlung auf dem Programm.

Der US-Präsident mahnte: «Russland glaubt, dass die Welt müde wird und es ihm erlaubt, die Ukraine ohne Konsequenzen brutal zu behandeln.» Wenn internationale Grundprinzipien aufgegeben würden, «um einen Aggressor zu beschwichtigen, kann sich dann irgendein Mitgliedstaat sicher fühlen, dass er geschützt ist?»

Sorgen über einen möglichen Einmarsch Chinas in Taiwan erwähnte der US-Präsident nicht. Peking betrachtet die demokratische Insel als Teil seines Territoriums. Biden betonte allerdings einmal mehr, die Vereinigten Staaten suchten keinen Konflikt mit China. «Wir versuchen, den Wettbewerb zwischen unseren Ländern verantwortungsvoll zu gestalten, damit er nicht in einen Konflikt ausartet.»

Selenskyj im olivgrünen Polohemd

Selenskyj, der während der Generaldebatte ein olivgrünes Polohemd im militärischen Stil trug, war am Vortag erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen sein Land im Februar 2022 in New York eingetroffen. Direkt nach der Ankunft mit seiner Ehefrau Olena Selenska besuchte Selenskyj ein Krankenhaus im Stadtteil Staten Island, in dem verwundete ukrainische Soldaten behandelt werden.

Vor den Vereinten Nationen am Manhattaner East River wird er mehrere wichtige Reden halten. Es wird erwartet, dass der 45-Jährige für Unterstützung im Krieg gegen Russland, seine Bedingungen für Frieden und die Vorstellungen Kiews für ein Kriegsverbrechertribunal wirbt.

Auftritt in New York Chance für Selenskyj

Selenskyj hatte zuletzt bereits an mehreren Gipfeln teilgenommen - G7, Nato, EU. Seine Reise zum größten diplomatischen Treffen der Welt in New York wird als große Chance für den Ukrainer gesehen, skeptische Länder von seinem Kurs zu überzeugen.

Viele Staaten vor allem in Lateinamerika, Afrika und Asien wünschen sich aber größeres Augenmerk auf ihre Probleme und auf das eigentlich von den Vereinten Nationen angepeilte Hauptthema: eine neue Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Auch Biden warb dafür, wirtschaftsschwächeren Ländern mehr Mitsprache und Gewicht in internationalen Institutionen zu geben.

Keine Lösung ohne Dialog - Entwicklungsländer dringen auf Frieden

Viele der Staats- und Regierungschefs des sogenannten Globalen Südens wünschen sich Frieden in der Ukraine - dies zeigt sich prominent in den Vermittlungsversuchen des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der vor Biden in der Kuppelhalle der Vollversammlung sprach. In seiner vor allem von den Sorgen der Auswirkungen des Klimawandels geprägten Rede pochte Lula auf Friedensgespräche für die Ukraine. «Wir unterschätzen nicht die Schwierigkeiten, Frieden zu erreichen. Aber keine Lösung wird von Dauer sein, wenn sie nicht auf Dialog basiert», sagte er. Zuletzt hatte Lula in einem Interview gesagt, der Krieg in der Ukraine ermüde die Menschheit.

UN-Woche im Schatten Selenskyjs

Selenskyj und der Ukraine-Krieg werden auch in den nächsten Tagen das diplomatische Treffen in New York dominieren: Am Mittwoch soll das mächtigste UN-Gremium tagen, der 15-köpfige Sicherheitsrat. Dort könnte der ukrainische Präsident erstmals seit dem Einmarsch Russlands auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen.

Selenskyj muss auch dort angesichts des Kriegsverdrusses glaubhaft erklären, warum er Gespräche mit Russland momentan ablehnt. Offen ist, wie er auf Erwartungen vor allem des sogenannten Globalen Südens zu einer Deeskalation des Krieges eingehen wird.

Bei einem persönlichen Treffen mit Bundeskanzler Scholz könnte Selenskyj erneut auf eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern dringen. Von New York aus will Selenskyj nach Washington weiterreisen, wo er am Donnerstag Termine hat.

Zuletzt war er kurz vor Weihnachten in der US-Hauptstadt wie ein Held empfangen worden. Seitdem hat sich aber auch dort die Lage verändert: Die Republikaner haben im US-Repräsentantenhaus das Sagen, unter ihnen gibt es einige Skepsis, ob die USA weiter im großen Stil Geld in einen Krieg pumpen sollten.

UN-Chef Guterres: Welt gerät aus Fugen

Zur Eröffnung der Generaldebatte hatte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Aufspaltung der Welt gewarnt. Es gebe tiefe Gräben zwischen den größten Wirtschafts- und Militärmächten, zwischen Ost und West sowie zwischen reichen Staaten und Entwicklungsländern. «Unsere Welt gerät aus den Fugen. Die geopolitischen Spannungen nehmen zu. Die globalen Herausforderungen nehmen zu. Und wir scheinen nicht in der Lage zu sein zusammenzukommen, um darauf zu reagieren.» Es brauche einen «globalen Kompromiss» zur Reform der internationalen Institutionen. «Es geht um Reform oder das Zerbrechen.»

@ dpa.de