Die meisten Nato-Staaten stehen an der Seite Israels im Krieg gegen die Hamas.
10.11.2023 - 05:23:18Stoltenberg sieht in Erdogans Hamas-Nähe kein Problem. Einer nimmt aber eine andere Haltung ein. Generalsekretär Stoltenberg sieht die Einheit des Bündnisses nicht gefährdet.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht in der Nähe des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zur islamistischen Hamas kein Problem für das Bündnis. «Es ist nie einfach, wenn wir innerhalb des Bündnisses unterschiedliche Ansichten haben», sagte Stoltenberg in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das habe aber «in gewisser Weise keinen Einfluss darauf, was wir tun oder nicht tun, weil wir in diesem speziellen Konflikt keine Rolle spielen.»
Für Erdogan ist die Hamas eine «Befreiungsorganisation»
Nach der Terrorattacke auf Israel mit mehr als 1400 Toten hatte Erdogan die islamistische Hamas als «Befreiungsorganisation» bezeichnet. Die mit der Türkei in der Nato verbündeten USA und die EU stufen sie dagegen als Terrororganisation ein.
Als Folge des Gaza-Krieges hat Erdogan den Kontakt zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu abgebrochen. «Netanjahu ist für uns keine Art von Gesprächspartner mehr. Wir haben ihn gelöscht, wir haben ihn durchgestrichen», sagt Erdogan. Bereits in der Vergangenheit hatte der türkische Präsident Israel aufgrund der Palästinenserpolitik als «terroristischen Staat» bezeichnet und sich immer wieder als Verfechter der palästinensischen Sache inszeniert.
Kaum Kritik aus der Nato - Scholz will Erdogan empfangen
Seitens der Nato-Verbündeten hat es kaum offene Kritik an dieser Haltung Erdogans gegeben. Das gilt auch für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Erdogan in der kommenden Woche wahrscheinlich in Berlin empfangen wird.
Spekulationen, dass die Zurückhaltung der Verbündeten mit der noch ausstehenden Ratifizierung des Nato-Beitritts Schwedens durch die Türkei zusammenhängen könnte, wies Stoltenberg zurück. «Das sind zwei sehr unterschiedliche Themen», sagte er. Die türkische Regierung habe dem Parlament erst nach Beginn des Gaza-Kriegs die Dokumente für die Ratifizierung vorgelegt. «Mitten in dieser Krise hat die Türkei also die Vereinbarung umgesetzt, die wir auf dem Nato-Gipfel in Vilnius im Juli dieses Jahres getroffen haben, wo sich Schweden verpflichtet hat, mehr im Kampf gegen den Terrorismus zu tun.»
Stoltenberg betonte, kein Verbündeter habe mehr terroristische Anschläge erlitten als die Türkei. Er verwies darauf, dass auch die kurdische PKK von der EU als terroristische Organisation eingestuft ist.
UN-Abstimmung offenbart Uneinigkeit der Nato
Die 31 Mitgliedstaaten der Nato haben auch in der UN-Vollversammlung bei der Verabschiedung der Resolution für eine Waffenruhe in Gaza sehr unterschiedlich abgestimmt. Die Türkei votierte zusammen mit großen EU-Staaten wie Frankreich und Spanien dafür. Deutschland, Großbritannien und einige andere Nato-Mitglieder enthielten sich. Die USA und wenige EU-Staaten wie Tschechien und Ungarn stimmten mit Israel gegen die Resolution, die keinerlei Kritik an der Hamas enthält.
«Auch wenn sich die Nato-Verbündeten in vielen Grundprinzipien einig sind, versuche ich nicht zu verbergen, dass es auch Unterschiede gibt», sagte Stoltenberg. Aber das liege daran, dass die Nato ein Bündnis von 31 Nationen und dieser Konflikt äußerst komplex und gefährlich sei. «Und das ist auch der Grund, warum es so wichtig ist, sich weiterhin für eine friedliche Verhandlungslösung einzusetzen.»
Stoltenberg sieht keine Nato-Rolle in dem Konflikt
Ein Szenario, in dem die Nato eine Rolle in dem Konflikt einnimmt, kann sich Stoltenberg nicht vorstellen. «Die Nato hat im israelisch-palästinensischen Konflikt nie eine Rolle gespielt, und wir streben auch keine Rolle in diesem Konflikt an», sagte er. Die Hauptaufgabe der Nato sei es, das Bündnisgebiet zu schützen und zu verteidigen. «Natürlich muss die Nato im Fall einer Eskalation des Konflikts zu einem größeren regionalen Konflikt sicherstellen, dass sie in der Lage ist, das Nato-Gebiet zu schützen.» Aber die Hauptaufgabe bestehe jetzt darin, eine solche Eskalation zu verhindern.