Die linksnationale Oppositionspartei «Richtung - Slowakische Sozialdemokratie» (Smer-SSD) lag in den Umfragen vorn.
01.10.2023 - 04:12:41Slowakei: Liberaler Newcomer bei Wahl vor Sieg. Nun scheint es bei der Parlamentswahl in der Slowakei eine Überraschung gegeben zu haben.
Die bisher noch nicht einmal im Parlament vertretene liberale Partei «Progressive Slowakei» (PS) könnte laut ersten Prognosen die Parlamentswahl in der Slowakei überraschend gewonnen haben.
Die monatelang in den Umfragen führende linksnationale Oppositionspartei «Richtung - Slowakische Sozialdemokratie» (Smer-SSD) des ehemaligen Langzeit-Regierungschefs Robert Fico dagegen kam in beiden Prognosen auf Platz zwei. Das offizielle Endergebnis soll am Vormittag (erwartet bis 11.00 Uhr) verkündet werden.
Falls sich die Prognosen bestätigen sollten, ist eine Koalition wahrscheinlich, die die bisherigen Waffenlieferungen an die Ukraine fortsetzen wird. Fico hatte angekündigt, er werde die bei der Bevölkerung unbeliebte Waffenhilfe beenden, wenn er an die Macht zurück käme. Das EU- und Nato-Land Slowakei grenzt direkt an die Ukraine und war bisher einer der entschlossensten politischen wie auch militärischen Unterstützer des von Russland angegriffenen Nachbarlands.
Liberalen knapp vorn
Rund 4,4 Millionen Wahlberechtigte waren am Samstag von 07.00 bis 22.45 Uhr aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. In zwei am Samstagabend veröffentlichten Nachwahlbefragungen lagen die vom EU-Abgeordneten Michal Simecka angeführten Liberalen knapp vorn.
Nach einer für den privaten Fernsehsender TV Markiza erstellten Prognose kam die liberale PS auf 23,5 Prozent, die linksnationale Smer-SSD auf 21,9 Prozent. Einen noch knapperen Sieg der PS vor Smer-SSD ergab eine Prognose im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsenders RTVS. Demnach lag PS mit 19,97 Prozent vor Smer mit 19,09 Prozent. Beide Prognosen basierten auf Befragungen von Wählern direkt nach der Stimmabgabe.
Die Wahlkommission veröffentlichte in der Nacht laufend Teilergebnisse aus den einzelnen Wahlkreisen. Diese ergaben aber keinen zuverlässigen Trend. Wie auch bei früheren Wahlen wurden zuerst kleine Gemeinden ausgezählt, die Auszählung in den größeren Städten dauerte hingegen länger. In den Kleingemeinden mit überwiegend wirtschaftlich schwächerer Bevölkerung ist traditionell die linke Smer stärker. Bratislava und die anderen wirtschaftlich starken Städte gelten hingegen als liberale Hochburgen.
Probleme in einzelnen Wahllokalen
PS-Chef Michal Simecka zeigte sich nach Veröffentlichung der beiden Prognosen betont vorsichtig. Die Ergebnisse seien hoffnungsvoll, sagte er zur Nachrichtenagentur TASR. Allerdings habe seine Partei noch schmerzhaft in Erinnerung, dass das Wahlergebnis bei der letzten Wahl für seine Partei schlechter ausgefallen sei als die Prognosen. Bei der Parlamentswahl 2020 hatte die damals gemeinsam mit einer anderen liberalen Partei als Wahlbündnis angetretene PS knapp die Hürde für den Parlamentseinzug verfehlt. Für Einzelparteien gilt eine Fünfprozenthürde, ein Wahlbündnis muss jedoch über sieben Prozent erreichen.
Zünglein an der Waage dürften nun die von der Fico-Partei abgespaltenen liberaleren Sozialdemokraten unter Ex-Ministerpräsident Peter Pellegrini werden. Diese Partei mit dem Namen «Stimme - Sozialdemokratie» (Hlas-SD) könnte der PS gemeinsam mit bürgerlichen Kleinparteien zu einer bequemen Mehrheit verhelfen - oder diese verhindern. Im letzteren Fall würde allerdings ein Patt drohen, weil die Fico-Partei Smer-SSD schwer die außer Hlas noch benötigten weiteren Koalitionspartner finden kann.
Die am Samstagmorgen begonnene Wahl war am späten Abend erst mit Verspätung zu Ende gegangen. Statt wie vorgesehen um 22.00 Uhr schlossen die letzten Wahllokale erst um eine Dreiviertelstunde später. Grund dafür waren Probleme in einzelnen Wahllokalen, in denen Wahlkommissions-Mitglieder gesundheitliche Probleme hatten. Laut Gesetz müssen Unterbrechungen der Stimmabgabe durch entsprechende Verlängerung der Wahlzeit ausgeglichen werden.