Israels, Militär

Die israelischen Streitkräfte vermuten in der größten Klinik des Gazastreifens die Kommandozentrale der Hamas.

15.11.2023 - 04:43:11

Israels Militär dringt in Schifa-Krankenhaus ein. Nach tagelangen Gefechten rund um den Komplex dringen die Soldaten nun ein. Der Überblick.

Israelische Soldaten sind in ihrem Kampf gegen die islamistische Hamas in das Schifa-Krankenhauses im Gazastreifen eingedrungen. Auf Grundlage von Geheimdienstinformationen laufe «eine präzise und gezielte Operation» in einem bestimmten Bereich der Klinik, wie die Armee am frühen Morgen mitteilte. Mit dabei seien medizinische Teams und arabischsprachige Militärangehörige. «Wir fordern alle im Krankenhaus anwesenden Hamas-Terroristen auf, sich zu ergeben», erklärte die Armee.

Israel vermutet unter dem größten Klinik-Komplex im Gazastreifen eine Kommandozentrale der Hamas. Die Palästinenserorganisation bestreitet das. Hamas-Terroristen hatten am 7. Oktober Israel überfallen und rund 1200 Menschen getötet.

Die BBC zitierte einen Augenzeugen in der Klinik, der von sechs Panzern und mehr als Hundert Soldaten auf dem Krankenhausgelände berichtete. Einige seien maskiert gewesen und hätten auf Arabisch gerufen: «Nicht bewegen, nicht bewegen!» Auch seien Rauchbomben zum Einsatz gekommen.

Ein Klinikarzt, Ahmed Muchallalati, berichtete der «Washington Post» von stundenlangen Schusswechseln und Explosionen rund um das Krankenhaus. Er habe israelische Panzer in Nähe des Gebäudekomplexes gesehen. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben am Morgen nicht.

UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths verurteilte unterdessen den Einsatz des israelischen Militärs im Schifa-Krankenhaus. Er sei bestürzt über die Berichte, schrieb er auf der Plattform X, früher Twitter. «Der Schutz von Neugeborenen, Patienten, medizinischem Personal und allen Zivilisten muss vor allen anderen Anliegen stehen. Krankenhäuser sind keine Schlachtfelder.» Auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, hat den Militäreinsatz scharf verurteilt. «Israels militärisches Eindringen in das Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza ist völlig inakzeptabel», sagte Tedros zu Beginn einer Pressekonferenz in Genf.

WHO: Noch mehr als 2000 Menschen in Klinik

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO befanden sich mit Stand Montag mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1500 Vertriebene. Die Angaben beruhen auf Schätzungen des dortigen Gesundheitsministeriums, das von der Hamas kontrolliert wird. Augenzeugen bestätigten die Zahlen.

Die Medizin-Teams und arabisch sprechenden Kräfte haben nach Armeeangaben eine spezielle Ausbildung durchlaufen und sollten sicherstellen, dass Zivilisten, die von der Hamas als menschliche Schutzschilde benutzt werden, kein Schaden zugefügt werde, hieß es in der Mitteilung der Streitkräfte weiter.

Medienberichten zufolge hat das Militär palästinensische Gesundheitsbeamte vorher kontaktiert und über den bevorstehenden Angriff informiert, sagte ein Sprecher des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium dem Fernsehsender Al-Dschasira.

Nach UN-Angaben nimmt im nördlichen Gazastreifen wegen Gefechten zwischen und wegen Treibstoffmangels nur noch ein Krankenhaus Patienten auf. Das Al-Ahli-Krankenhaus in der Stadt Gaza sei als einziges noch im Minimal-Betrieb, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit. «Alle anderen haben den Betrieb wegen eines Mangels an Strom, medizinischem Material, Sauerstoff, Essen und Wasser eingestellt.» Die Lage werde «verschlimmert durch Bombardements und Kämpfe in ihrer Umgebung.» Im Al-Ahli-Krankenhaus seien derzeit etwa 500 Patienten untergebracht.

Derweil brachten israelische Bodentruppen nach eigenen Angaben auch Brutkästen, Babynahrung und medizinische Hilfsgüter in die Schifa-Klinik. Vor ihrem Einmarsch in die größte Klinik des Gazastreifens seien die Soldaten mit Sprengkörpern und mutmaßlichen Terroristen «in Berührung gekommen», teilte das Militär mit. Bei einem Gefecht wurden demnach mutmaßliche Terroristen getötet.

Armee: Sind gezwungen, gegen Hamas in Krankenhäusern vorzugehen

Zuvor hatte Israels Militärsprecher Daniel Hagari bereits angekündigt, dass die Streitkräfte auch gegen die mutmaßliche Infrastruktur der Hamas in Krankenhäusern im Gazastreifen vorgehen werden. «Die fortgesetzte militärische Nutzung des Schifa-Krankenhauses durch die Hamas führt dazu, dass es seinen besonderen völkerrechtlichen Schutz verliert», sagte Hagari. «Wir sind gezwungen, vorsichtig und präzise gegen die militärische Infrastruktur der Hamas in den Krankenhäusern vorzugehen.»

USA: Hamas nutzt Krankenhäuser für militärische Zwecke

Auch die USA gehen davon aus, dass die Hamas im Gazastreifen Krankenhäuser für militärische Zwecke nutzt. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte: «Hamas und Mitglieder des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) nutzen einige Krankenhäuser im Gazastreifen - auch die Schifa-Klinik - und unter ihnen liegende Tunnel, um ihre Militäroperationen zu verbergen und voranzutreiben und um Geiseln festzuhalten».

Netanjahu fordert Unterstützung im Kampf gegen die Hamas

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warb erneut für Unterstützung seines Landes im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen. In einem Beitrag auf X (früher Twitter) wandte sich Netanjahu direkt an den kanadischen Premierminister Justin Trudeau: «Nicht Israel zielt absichtlich auf Zivilisten, sondern die Hamas enthauptet, verbrennt und massakriert Zivilisten im schlimmsten Horror, der seit dem Holocaust an Juden verübt wurde.» Er forderte: «Die Kräfte der Zivilisation müssen Israel dabei unterstützen, die Barbarei der Hamas zu besiegen.» Zuvor hatte Trudeau Berichten zufolge die israelische Regierung «dringend» aufgefordert, in ihrem Kampf im Gazastreifen «maximale Zurückhaltung zu üben» und eine humanitäre Pause zu gewähren. Er sagte: «Die Welt ist Zeuge dieser Tötung von Frauen, Kindern und Babys. Das muss aufhören.»

UN-Hilfswerk: Humanitäre Hilfe wegen Benzinmangels unmöglich

Wegen Treibstoffmangels könnte die humanitäre Unterstützung von über zwei Millionen Menschen im Gazastreifen nach Einschätzung des UN-Hilfswerkes für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bald zusammenbrechen. Ein Treibstoff-Depot innerhalb des Gazastreifens, das das Hilfswerk zuletzt genutzt habe, sei nun leer, sagte UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini. «Es ist ganz einfach. Ohne Treibstoff wird die humanitäre Operation im Gazastreifen zu Ende gehen. Viele weitere Menschen werden leiden und wahrscheinlich auch sterben.»

UN-Chef fordert Feuerpause «im Namen der Menschlichkeit»

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich «zutiefst beunruhigt» über die Lage in den Krankenhäusern im Gazastreifen. Diese verzeichneten dramatische Verluste an Menschenleben, ließ Guterres mitteilen. «Im Namen der Menschlichkeit fordert der Generalsekretär eine sofortige humanitäre Waffenruhe», hieß es in einer Mitteilung.

Israel kritisierte Guterres wegen seiner Rolle im Gaza-Krieg. «Guterres hat es nicht verdient, UN-Chef zu sein», sagte der israelische Außenminister Eli Cohen. Er habe sich nicht entschieden genug gegen den Terror der Hamas gestellt. «Guterres sollte wie alle freien Nationen klar und laut sagen: «Befreit Gaza von der Hamas»», sagte Cohen weiter.

@ dpa.de