Die israelische Regierung hat sich mit der Hamas auf eine Feuerpause geeinigt, Dutzende Geiseln sollen freikommen.
22.11.2023 - 08:45:16Einigung auf Feuerpause im Gaza-Krieg. Und dann? Der Überblick.
Nach tagelangen zähen Verhandlungen hat Israels Regierung einer mindestens viertägigen Feuerpause im Gazastreifen im Gegenzug für die Freilassung Dutzender israelischer Geiseln zugestimmt. Das Kabinett billigte am frühen Morgen eine Vereinbarung mit der islamistischen Hamas, wie ein Regierungssprecher bestätigte.
Am Nachmittag veröffentlichte Israel weitere Details zum Abkommen mit der Hamas. Für den gesamten Austausch von bis zu 300 palästinensischen Häftlingen gegen bis zu 100 lebende Geiseln aus Israel sind maximal zehn Tage vorgesehen, heißt es im Kabinettsbeschluss. Spätestens danach soll der Kampf der israelischen Armee gegen die Hamas und andere islamistische Extremisten im Gazastreifen weitergehen.
In einem ersten Schritt geht es demnach innerhalb von vier Tagen um den Austausch von 50 israelischen Geiseln und 150 palästinensischen Häftlingen. Die Geiseln und Häftlinge sollen dabei in jeweils vier Gruppen freigelassen werden. Für die Übergabe von mindestens zehn israelischen Geiseln an israelische Sicherheitskräfte würden Häftlinge freigelassen, heißt es weiter. Eine Zahl wird in dem Dokument nicht genannt. Zudem gebe es eine 24-stündige Feuerpause.
In einem zweiten Schritt sollen in Gruppen wie im ersten Schritt bis zu 50 weitere israelische Geiseln für bis zu 150 weitere palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden.
Die israelische Nachrichtenseite Ynet meldete zudem, Israel dürfe der Vereinbarung zufolge die Namen der 100 Geiseln, die freikommen sollen, an die Hamas übermitteln. Teil des Deals soll demnach auch sein, dass entführte Mütter und Kinder bei der Freilassung nicht voneinander getrennt werden.
Netanjahu: Krieg geht nach Feuerpause weiter
Israels Regierungschef Netanjahu hatte schon zuvor betont, der Krieg im Gazastreifen werde anschließend fortgeführt, «bis wir alle unsere Ziele erreicht haben». Dazu gehöre die Eliminierung der Hamas, die Rückkehr aller Geiseln und Vermissten sowie die Garantie, dass aus Gaza keine Bedrohung für Israel mehr ausgeht. Die Hamas sprach ebenfalls davon, die Hände «weiter am Abzug» zu haben. Unterdessen gab es am Morgen im Grenzgebiet zu Israel erneut Raketenalarm, wie das israelische Militär auf Telegram mitteilte.
Hamas-Führer: Feuerpause beginnt Donnerstag um 9.00 Uhr MEZ
Nach Angaben der Hamas soll die Feuerpause am Donnerstag um 10.00 Uhr Ortszeit (9.00 Uhr Uhr MEZ) beginnen. Diese Uhrzeit nannte Hamas-Führer Mussa Abu Marsuk in einem Interview mit dem Nachrichtensender Al-Dschasira. Auch der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf eine israelische Quelle, dass eine Feuerpause zu dieser Zeit beginnen solle. Das katarische Außenministerium hatte am frühen Mittwochmorgen bekanntgegeben, der genaue Beginn der Kampfpause solle innerhalb von 24 Stunden bekannt gegeben werden.
Während der Feuerpause sollen nach Angaben der Hamas im Süden des Küstenstreifens die israelischen Flugbewegungen komplett eingestellt werden und im Norden täglich für sechs Stunden. Ob die Kampfpause auch die Gefechte zwischen Israel und der Hisbollah und palästinensischen Militanten im Libanon einschließt, ist noch unklar.
Den Angaben aus Katar zufolge sieht die Vereinbarung über eine «humanitäre Pause» außerdem vor, dass eine «größere Zahl» an Hilfskonvois sowie weiterer Treibstoff in den Gazastreifen geliefert werden. Eine offizielle Bestätigung Israels zu einigen Punkten der Vereinbarung steht noch aus.
Angehörige können Einspruch einlegen
Laut israelischer Regierung können unter anderem Angehörige von Terroropfern innerhalb von 24 Stunden Einspruch beim Obersten Gericht gegen die Freilassung palästinensischer Häftlinge einreichen. Es wird nicht erwartet, dass das Gericht die Entscheidung der Regierung stoppt. Medien zufolge sollen keine Häftlinge freigelassen werden, die wegen Mordes verurteilt wurden.
Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen hatten vor rund sechs Wochen im Süden von Israel beispiellose Massaker verübt, rund 1200 Menschen getötet und etwa 240 Geiseln nach Gaza verschleppt - darunter auch Deutsche. Israels Militär flog als Reaktion darauf Luftangriffe auf den Gazastreifen und rückte mit Bodentruppen in die abgeriegelte Region ein. Dabei wurden nach Angaben der islamistischen Hamas mehr als 13.300 Menschen getötet.
Von den 240 Verschleppten wurden bislang vier weibliche Geiseln von der Hamas freigelassen. Eine junge Soldatin konnte vom Militär befreit werden. Die Armee fand zudem die Leichen zweier Frauen. Wie viele insgesamt noch am Leben sind, ist unklar.
Alle Geiseln sollen israelische Staatsbürger sein
In Israel wird erwartet, dass die schrittweise Freilassung der 50 Geiseln am Donnerstag beginnen könnte. An jedem Tag der Kampfpause sollen laut israelischen Medien zwischen 10 und 13 Geiseln frei kommen. Alle Geiseln sollen die israelische Staatsbürgerschaft haben. Die Feuerpause könnte nach Angaben Katars auch verlängert werden.
Für jeden zusätzlichen Tag müsste die Hamas der Regierung Israels zufolge zehn weitere Geiseln freilassen. Israel geht davon aus, dass so insgesamt 80 Geiseln freikommen könnten. In Israel gibt es Befürchtungen, dass die Hamas die Feuerpause nutzen könnte, um sich neu aufzustellen.
Israel nennt Details zu freikommenden Häftlingen
Nach dem Abkommen mit der Hamas über den Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge hat Israel die Namen und weitere Einzelheiten zu den Inhaftierten bekannt gegeben. 123 der 300 inhaftierten Palästinenser, die für eine Entlassung in Frage kommen, sind Jugendliche unter 18 Jahren, wie aus einer Auflistung der israelischen Regierung hervorgeht. Die Jüngsten sind demnach 14 Jahre alt. 33 Häftlinge sind der Auflistung zufolge Mädchen und Frauen. Den Häftlingen werden unter anderem das Werfen von Brandbomben, Brandstiftung oder Messerattacken zur Last gelegt.
Israelische Medien hatten zuvor berichtet, dass keine Häftlinge freigelassen würden, die wegen Mordes im Gefängnis sitzen. Sie sollen demnach in die Orte zurückkehren, in der sie vor ihrer Inhaftierung gelebt haben, etwa ins Westjordanland oder nach Ost-Jerusalem.
Biden und Baerbock begrüßen Vereinbarung
US-Präsident Joe Biden begrüßte die Vereinbarung über eine Feuerpause. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nannte die Freilassung einer ersten größeren Gruppe Geiseln einen «Durchbruch».
Israelischen Medien zufolge soll es sich um 30 Kinder, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen handeln. Laut dem Sender Channel 12 sind israelische Krankenhäuser auf die Ankunft der Entführten vorbereitet. Sie sollen demnach aus Gaza über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten und von dort mit Hubschraubern nach Israel gebracht werden.