Das letzte Treffen von Macron und Scholz mündete in einen offenen Konflikt.
15.03.2024 - 15:15:39Dreier-Gipfel bei Scholz: Differenzen mit Macron bleiben. Ein Dreier-Gipfel in Berlin soll Entspannung bringen. Aber schon vorher ist klar: Die Differenzen werden wohl bleiben.
Knapp drei Wochen nach ihrem offenen Konflikt über die Ukraine-Strategie sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron in Berlin zu Beratungen darüber zusammengekommen. Kurz vor dem Treffen im Kanzleramt bekräftigten beide Seiten ihre Positionen: Macron will weiterhin alle Optionen der Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte auf dem Tisch lassen - auch den Einsatz westlicher Bodentruppen. Scholz schließt die Entsendung von Soldaten dagegen weiterhin kategorisch aus.
Macron will alle Optionen auf dem Tisch lassen
«Da gibt es keinerlei veränderte Haltung des Bundeskanzlers dazu. Das hat er deutlich gemacht», sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit nur wenige Minuten bevor Scholz den französischen Präsidenten mit Handschlag - aber ohne Umarmung - auf dem roten Teppich vor dem Kanzleramt empfing. «Beide haben da ihre Standpunkte und dabei wird es auch bleiben. Davon gehe ich aus.» Am Vorabend hatte Macron seine Position zu den Bodentruppen im französischen Fernsehen noch einmal bekräftigt. «Alle diese Optionen sind möglich», sagte er, machte aber zugleich deutlich, dass er den Zeitpunkt für Bodentruppen nicht gekommen sieht und ein solcher Einsatz nicht sein Wunsch sei.
Man setze nicht auf Eskalation und befinde sich auch nicht im Krieg gegen Russland, man dürfe Russland den Krieg in der Ukraine aber nicht gewinnen lassen, sagte Macron. «Um den Frieden in der Ukraine zu erreichen, darf man nicht schwach sein.» Man müsse die Situation nüchtern betrachten. «Und wir müssen mit Entschlossenheit, Wille und Mut sagen, dass wir bereit sind, die Mittel einzusetzen, die nötig sind, um unser Ziel zu erreichen, dass Russland den Krieg nicht gewinnt.»
Das bilaterale Treffen von Scholz und Macron war einem Dreier-Gespräch mit dem neuen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk vorgeschaltet. Es ist das erste Treffen auf Spitzenebene dieses sogenannten Weimarer Dreiecks seit Juni 2023.
Denkwürdige Ukraine-Konferenz in Berlin mit Folgen
Die Gespräche fanden knapp drei Wochen nach der denkwürdigen Ukraine-Konferenz in Paris statt, zu der Macron rund 20 Staats- und Regierungschefs eingeladen hatte und die in einen Eklat mündete. Auf der anschließenden Pressekonferenz schloss der Präsident die Entsendung von Bodentruppen erstmals öffentlich nicht aus, woraufhin Scholz in den Tagen darauf mehrfach widersprach. «Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden», sagte der SPD-Politiker.
Macron erklärte dann bei einem Besuch in Prag: «Wir nähern uns gewiss einem Moment unseres Europas, in dem es angebracht ist, nicht feige zu sein.» So mancher hat das als Anspielung auf Scholz verstanden, der anders als Frankreich auch keine Marschflugkörper in die Ukraine liefern will. Der Kanzler befürchtet eine Verwicklung Deutschlands in den Ukraine-Krieg.
Scholz über Verhältnis zu Macron: «sehr freundschaftlich»
Scholz versuchte in dieser Woche, die Wogen zu glätten. Er könne versichern, «dass es anders ist, als immer wieder viele denken: Emmanuel Macron und ich haben ein sehr gutes persönliches Verhältnis – ich würde es sehr freundschaftlich nennen», sagte er auf einer Pressekonferenz.
Das Verhältnis der beiden galt aber von Anfang der Amtszeit des Kanzlers an als unterkühlt. Alle Versuche einer nachhaltigen Besserung zündeten nicht so richtig. Den letzten Anlauf machten sie im Oktober vergangenen Jahres bei einem Treffen beider Regierungen in Hamburg. Was davon blieb, sind Bilder von einer gemeinsamen Fischbrötchen-Verkostung an der Elbpromenade. Viel mehr nicht.
Nach dem Treffen: Tusk, Macron und Scholz demonstrieren Einigkeit
Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach dem offenen Konflikt über die Ukraine-Strategie die Geschlossenheit von Deutschland, Frankreich und Polen betont. «Wir alle drei meinen es ernst mit unserer Unterstützung der Ukraine». Solidarität und gemeinsames Handeln seien unverzichtbar, um Frieden und Freiheit in Europa zu verteidigen.
«Mehr denn je gilt: Unsere Einheit ist unsere Stärke. Und gerade unseren drei Staaten, Deutschland, Polen und Frankreich wächst dabei eine besondere Verantwortung zu», sagte Scholz. Die Ukraine könne sich auf Unterstützung verlassen, die Hilfe werde nicht nachlassen, versprach der Kanzler. «Wir stehen eng und unverbrüchlich an der Seite der Ukraine.»
Emmanuel Macron hat im Ukraine-Kurs Einheit beschworen. «Wir teilen eine Überzeugung: In der Ukraine geht es auch um unsere Sicherheit und unsere Zukunft», sagte Macron in Berlin. Der klare und kohärente gemeinsame Wille sei es, die Ukraine so lange wie notwendig zu unterstützen und Russland seinen Angriffskrieg nicht gewinnen zu lassen. Wie schon seit dem ersten Tag werde man aber niemals die Initiative zur Eskalation ergreifen.
Macron sagte weiter: «Die Tatsache, dass wir heute alle drei geeint und energisch sind, die gleiche Wachsamkeit in Bezug auf die Situation in der Ukraine haben und entschlossen sind, Russland niemals siegen zu lassen und das ukrainische Volk bis zum Ende zu unterstützen, ist eine Kraft für uns, unsere Völker, unsere Sicherheit und unser Europa.» Das Treffen in Berlin habe es ermöglicht, die Einigkeit zu stärken und die gemeinsame Entschlossenheit zu zeigen.
Tusk: Haben mit einer Stimme gesprochen
Donald Tusk hat die übereinstimmende Position der drei Länder zum Ukraine-Krieg hervorgehoben. «Wir haben heute mit einer Stimme gesprochen, in erster Linie über Fragen der Sicherheit für unseren Kontinent, für unsere Länder, und all dies natürlich im Kontext des Krieges», sagte Tusk in Berlin.
Alle drei Politiker seien einer Meinung, wenn es darum gehe, wer die volle Verantwortung für die Eskalation des Konflikts und die tragischen Ereignisse in der Ukraine trage und wer der Aggressor sei, sagte Tusk in Anspielung auf Russland. Man sei sich auch einig, wer Hilfe verdiene.
Die Hilfe für die Ukraine müsse sofort und so intensiv wie möglich kommen, forderte Tusk. «Wir wollen unser Geld ausgeben, wir wollen auf jede erdenkliche Weise helfen, hic et nunc, hier und jetzt, damit sich die Lage der Ukraine in den kommenden Wochen und Monaten verbessert und nicht verschlechtert.»
Scholz: Kaufen Waffen für Ukraine künftig auf dem gesamten Weltmarkt
Der Westen will zur Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine künftig weltweit Waffen kaufen. Man werde ab sofort noch mehr Waffen für die Ukraine beschaffen – «und zwar auf dem gesamten Weltmarkt», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin nach Beratungen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Polens Regierungschef Donald Tusk. «Das ist eine gute Verbesserung.»
Die Produktion militärischen Geräts werde ausgebaut, auch in Zusammenarbeit mit Partnern in der Ukraine. Außerdem werde eine «neue Fähigkeitskoalition für weitreichende Raketenartillerie» gegründet, sagte Scholz. Schließlich werde auch die Hilfe für die Ukraine im Rahmen der Europäischen Union verstärkt. Der Kauf von Waffen für die Ukraine werde auch durch Einnahmen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanziell unterstützt.
Polen hat sich noch nicht klar positioniert
Polens Standpunkt zu Macrons Vorstoß ist nicht ganz eindeutig. Regierungschef Donald Tusk sagte Ende Februar bei einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Petr Fiala in Prag: «Polen beabsichtigt nicht, seine Truppen in die Ukraine zu schicken.» Er äußerte sich jedoch nicht dazu, welche Haltung seine Regierung dazu einnehmen würde, wenn andere Nato-Länder Truppen in Polens östliches Nachbarland entsenden würden.
Sehr viel deutlicher positionierte sich etwas später Außenminister Radoslaw Sikorski. «Die Präsenz von Nato-Truppen in der Ukraine ist nicht undenkbar. Ich begrüße die Initiative von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron», schrieb er am vergangenen Freitag auf der Plattform X (vormals Twitter). Denn dieser Vorschlag Macrons bedeute, «dass Putin Angst hat, statt dass wir Angst haben vor Putin», so Sikorski weiter.
Vor dem Treffen des Weimarer Dreiecks in Berlin legte Sikorski noch einmal nach. Macron wolle, dass Putin sich Sorgen mache, was der Westen gegen ihn unternehmen könne. «Wir könnten auch etwas tun, was er nicht erwartet. Und dann kontrollieren wir, und nicht Putin, die sogenannte Treppe der Eskalation. Mit dieser Einstellung bin ich absolut einverstanden.»
Diskussion noch nicht beendet
Polnische Medien gingen daher davon aus, dass Polen wegen seiner flexibleren Position in dieser heiklen Frage des Bodentruppen-Einsatzes die Rolle eines Vermittlers zwischen Deutschland und Frankreich einnehmen könnte. «Tusk für den Konsens» titelte am Freitag die Zeitung «Gazeta Wyborcza». Beim EU-Gipfel in der kommenden Woche dürfte die Diskussion weitergehen.