Bis zum Mittag sind viele Polinnen und Polen an die Urnen gegangen.
15.10.2023 - 16:37:08Parlamentswahl in Polen: Hohe Beteiligung bis zum Mittag. Ein spannendes Rennen zeichnet sich ab: Die regierende nationalkonservative PiS liegt vorn, aber Donald Tusk ist ihr dicht auf den Fersen.
Bei der Parlamentswahl in Polen zeichnet sich eine rege Beteiligung ab. Bis zum Mittag gaben rund 22,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie die Wahlkommission in Warschau mitteilte. Der Sender TVN24 zeigte Bilder aus mehreren Städten, in denen Wähler vor den Wahllokalen Schlange standen. Bei der vorherigen Wahl im Oktober 2019 hatten im gleichen Zeitraum gut 18 Prozent der Wähler abgestimmt.
Erste Prognosen über die Verteilung der 460 Abgeordnetenmandate im Sejm sowie über die 100 Sitze im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, werden nach Schließung der Wahllokale um 21.00 Uhr erwartet. Hochrechnungen sind in Polen nicht üblich. Das Endergebnis soll voraussichtlich erst am Dienstag bekannt gegeben werden.
Andrang vor Wahllokalen in Deutschland
Polnische Wähler haben vor der Botschaft ihres Landes in Berlin Schlange gestanden, um ihre Stimme für die Parlamentswahl abzugeben. Die Botschaft veröffentlichte Bilder auf der Plattform X, früher Twitter, und schrieb, mehr als 100.000 Polen wollten in Deutschland abstimmen. Der Andrang an der Botschaft und anderen Wahllokalen sei groß, doch die Abstimmung verlaufe reibungslos und friedlich.
Nach Angaben der polnischen Wahlkommission haben sich insgesamt im Ausland mehr als 560.000 Wähler für die Teilnahme registriert.
Wem gelingt die Regierungsbildung?
Die wichtigste politische Trennlinie im EU- und Nato-Land Polen verläuft zwischen der seit 2015 regierenden nationalkonservativen PiS und der liberalen und linken Opposition, deren größte Partei die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) ist. Eine Vorhersage über den Wahlausgang ist schwierig, denn das Kräfteverhältnis im Parlament kann sich durch Nuancen von wenigen Prozentpunkten für kleinere Parteien verschieben. Erwartet wird eine langwierige Regierungsbildung.
Laut Umfragen dürfte die Partei Prawo i Sprawiedliwosc (PiS, deutsch «Recht und Gerechtigkeit») zwar stärkste Kraft bleiben, die absolute Mehrheit von 231 Abgeordnetenmandaten aber verfehlen. Sie wäre dann zur Bildung einer Regierung auf die ultrarechte Konfederacja angewiesen. Zwar lehnte die Konfederacja im Wahlkampf eine Koalition mit der PiS ab. Viele Polen betrachten dies aber als Wahlkampftaktik und nehmen an, dass sich Abgeordnete der Konfederacja mit Regierungsposten ins Lager der PiS locken lassen - oder dass die Ultrarechten am Ende eine Minderheitsregierung der PiS tolerieren werden.
Auch ein Machtwechsel ist nicht ausgeschlossen. Den Umfragen zufolge liegt die Bürgerkoalition (KO) des früheren Regierungschefs Donald Tusk an zweiter Stelle dicht hinter der PiS. Sie könnte im Falle eines Wahlsiegs mit dem Linksbündnis Lewica und dem christlich-konservativen Dritten Weg eine Koalition bilden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Dritte Weg, der aus einem Zusammenschluss zweier Parteien besteht, die für solche Wahlbündnisse gültige Acht-Prozent-Hürde nimmt und ins Parlament einzieht. In Umfragen liegt die Formation bei gut zehn Prozent.
Zusätzlich Abstimmung über vier Fragen
Parallel zur Parlamentswahl stimmen die Polen in einem Referendum über vier Fragen ab. Eine davon befasst sich mit dem EU-Asylkompromiss. Dieser sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Die PiS-Regierung lehnt das ab.
Die konkrete Frage beim polnischen Referendum wird lauten: «Unterstützen Sie die Aufnahme von Tausenden illegalen Einwanderern aus dem Nahen Osten und Afrika nach dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Mechanismus der verpflichtenden Aufnahme?» Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den EU-Entscheidungsprozess. Die anderen Fragen befassen sich mit der Privatisierung staatlicher Unternehmen, dem Renteneintrittsalter und der Barriere an Polens Grenze zu Belarus.