Israels, Premier

Beim Gaza-Krieg ist kein Ende in Sicht.

10.11.2023 - 06:42:23

Israels Premier Netanjahu: «Wir müssen die Hamas zerstören». Die israelischen Streitkräfte stellen sich auf lange Kämpfe ein. Es soll aber befristete humanitäre Pausen geben. Der Überblick.

  • Benjamin Netanjahu geht von einem längeren Krieg aus. - Foto: Abir Sultan/Pool EPA/AP/dpa

    Abir Sultan/Pool EPA/AP/dpa

  • Ministerpräsident Netanjahu sagt, Israel wolle nicht versuchen, den Gazastreifen zu erobern, zu regieren oder zu besetzen. «Aber wir wollen ihm und uns eine bessere Zukunft im gesamten Nahen Osten geben. Und dazu muss die Hamas besiegt werden.» - Foto: Abed Khaled/AP

    Abed Khaled/AP

Benjamin Netanjahu geht von einem längeren Krieg aus. - Foto: Abir Sultan/Pool EPA/AP/dpaMinisterpräsident Netanjahu sagt, Israel wolle nicht versuchen, den Gazastreifen zu erobern, zu regieren oder zu besetzen. «Aber wir wollen ihm und uns eine bessere Zukunft im gesamten Nahen Osten geben. Und dazu muss die Hamas besiegt werden.» - Foto: Abed Khaled/AP

Israel stellt sich auf einen langen Krieg gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen ein. Die Streitkräfte seien bereit, die Auseinandersetzung mit der von der EU, den USA und Israel als Terrorgruppe eingestuften Organisation auch jahrelang zu führen, sagte Verteidigungsminister Joav Galant am Donnerstag. Die Armee werde alle an dem Massaker vom 7. Oktober in Israel Beteiligten finden. «Egal ob es eine Woche, einen Monat, ein Jahr und gegebenenfalls sogar Jahre dauert.»

Er sprach sich auch gegen einen Kompromiss mit der Hamas und anderen extremistischen Gruppen im Gazastreifen aus, denn diese hätten den israelischen Bürgern Schaden zugefügt und sie ermordet. «Wir werden sie alle eliminieren.»

Der Iran warnte unterdessen vor einer Ausweitung des Gaza-Krieges auf die ganze Region. «Wegen der massiven Ausweitung des Kriegs gegen zivile Bewohner Gazas ist die Ausweitung des Kriegsausmaßes nun unvermeidlich», sagte der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian. Israel ist seit der Revolution von 1979 der erklärte Erzfeind Teherans.

Israel will Zivilisten sichere Passage aus Kampfzone ermöglichen

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu will Zivilisten weiter eine sichere Flucht aus dem Kampfgebiet im abgeriegelten Gazastreifens gewähren. «Die Kämpfe gegen die Hamas, die Hamas-Terroristen, gehen weiter, aber wir wollen an bestimmten Orten für einen bestimmten Zeitraum, ein paar Stunden hier, ein paar Stunden dort, eine sichere Passage von Zivilisten aus der Kampfzone ermöglichen. Und das machen wir auch», sagte er dem US-Sender Fox News. Zuvor hatte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington mitgeteilt, Israel habe täglichen, vierstündigen humanitären Pausen im nördlichen Teil des Gazastreifens zugestimmt.

Biden für mehr Hilfslieferungen in Gazastreifen

US-Präsident Joe Biden hat sich für die Lieferung von deutlich mehr Hilfsgütern in den Gazastreifen ausgesprochen. «Vor zwei Tagen waren es 96 Lastwagen mit Hilfsgütern und gestern 106 Lastwagen. Aber wir brauchen mehr, und zwar bald. Unser Ziel sind mindestens 150 pro Tag, jeden Tag», schrieb er in einem längeren Statement am Donnerstagabend auf der Plattform X (vormals Twitter). «Wir tun auch alles in unserer Macht Stehende, um die humanitären Hilfslieferungen und -leistungen zu erhöhen.»

Biden sagte weiter, es werde «ab heute» zwei humanitäre Passagen geben, die es den Menschen ermöglichen sollen, aus den Kampfgebieten im Norden des abgesperrten Küstenstreifens zu fliehen.

Netanjahu: «Wir müssen die Hamas zerstören»

Ministerpräsident Netanjahu sagte weiter, Israel wolle nicht versuchen, den Gazastreifen zu erobern, zu regieren oder zu besetzen. «Aber wir wollen ihm und uns eine bessere Zukunft im gesamten Nahen Osten geben. Und dazu muss die Hamas besiegt werden.» Er habe keinen Zeitplan festgelegt, «denn es kann mehr Zeit in Anspruch nehmen», sagte Netanjahu. «Wir müssen die Hamas zerstören, nicht nur um unseretwillen, sondern um der Menschen willen. Um der Zivilisation willen, um der Palästinenser und Israelis gleichermaßen willen.» Der Gazastreifen müsse entmilitarisiert, entradikalisiert und wiederaufgebaut werden.

WHO: 20 von 36 Krankenhäusern im Gazastreifen nicht mehr im Einsatz

Im Gazastreifen sind wegen der schweren Bombardierungen, Zerstörungen und dem Mangel an medizinischem Material 20 der 36 Krankenhäuser nicht mehr im Einsatz. Das berichtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag in Genf. Auch die noch funktionierenden Krankenhäuser liefen nur im Notbetrieb, weil viele für eine normale Versorgung von Patientinnen und Patienten nicht genügend Desinfektionsmittel und Anästhesiepräparate oder Strom hätten. Die noch funktionierenden Krankenhäuser hätten teils doppelt so viele Patienten wie Betten, sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris.

Die WHO hat demnach am Freitag Berichte über intensive Kampfhandlungen rund um das Schifa-Krankenhaus erhalten. «Wir haben aber keine Angaben zu Schäden», sagte Harris. Das Schifa-Krankenhaus sei das einzige mit einer Kinderabteilung. Dort seien Kinder auf der Intensivstation und andere, die Dialyse benötigten. Eine Unterbrechung ihrer Versorgung sei für sie lebensgefährlich.

UN-Menschenrechtschef: Israels Angriffe auf Gaza unverhältnismäßig

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat Israel aufgerufen, die Angriffe mit besonders explosiven Waffen auf dicht besiedelte Gegenden im Gazastreifen umgehend zu stoppen. «In Anbetracht der vorhersehbar hohen Zahl ziviler Opfer und großen Zerstörung ziviler Objekte haben wir ernsthafte Bedenken, dass es sich um unverhältnismäßige Angriffe handelt, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen», sagte Türk am Freitag in Amman in Jordanien.

Er hatte zuvor nach einem Besuch am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen bereits von Kriegsverbrechen auf beiden Seiten des Konflikts gesprochen. Er bezog sich dabei auf den Terrorüberfall der extremistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober als auch auf die israelischen Gegenschläge.

Die Zerstörung in der Umgebung von Krankenhäusern mache es schwer für Menschen, dort Hilfe zu suchen. Der Aufruf, Krankenhäuser im nördlichen Teil des Gazastreifens zu räumen, sei «ein Todesurteil» für Patientinnen und Patienten, sagte Türk.

Militär: 9500 Geschosse seit Kriegsbeginn Richtung Israel gefeuert

Seit Beginn des Gaza-Kriegs wurden nach Angaben der israelischen Streitkräfte 9500 Raketen und Mörsergranaten sowie Dutzende Drohnen Richtung Israel abgeschossen. Seit den Bodeneinsätzen im Gazastreifen sei die Zahl der Abschüsse aber deutlich zurückgegangen, teilte das Militär mit. Ob auch Geschosse aus dem Libanon, aus dem Jemen und Syrien mitgezählt wurden, teilte die Armee nicht explizit mit. Zwölf Prozent aller Geschosse landeten demnach im Gazastreifen selbst, der von der islamistischen Hamas kontrolliert wird. Rund 900 seien von zivilen Standorten, darunter Moscheen, Schulen und Krankenhäuser, aus abgefeuert worden.

Israel fängt erstmals Rakete mit neuem Abwehrsystem Arrow 3 ab

Die israelische Streitkräfte setzten ihr neues Raketenabwehrsystem Arrow 3 erstmals erfolgreich ein. Im Bereich des Roten Meeres sei ein auf Israel abgefeuertes Objekt abgefangen worden, teilte das israelische Verteidigungsministerium mit. Zuvor hatten die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen angegeben, Israel mit Raketen angegriffen zu haben. Ob es sich bei dem mit dem System Arrow 3 abgefangenen Flugkörper um eine Rakete der Huthi-Rebellen handelte, war zunächst unklar. «Die Arrow-Rakete hat eine Bedrohung abgefangen, die weit weg vom Staat Israel unterwegs war», sagte Militärsprecher Daniel Hagari. «Wir haben eine Boden-Boden-Rakete abgefangen, die in unsere Richtung abgeschossen wurde.»

Palästinenser: 14 Tote bei israelischem Militäreinsatz in Dschenin

Bei einem israelischen Militäreinsatz in Dschenin im Westjordanland wurden nach palästinensischen Angaben mindestens 14 Menschen getötet. Mehr als 20 weitere seien verletzt worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Die israelischen Streitkräfte erklärten, eine Drohne habe während des Einsatzes Terroristen im Flüchtlingsviertel in Dschenin angegriffen. Diese hätten auf die Soldaten geschossen und Sprengsätze geworfen. Mit schwerem Gerät zerstörten die Truppen demnach Dutzende versteckte Sprengsätze. Die Armee meldete zehn getötete Palästinenser. Zudem seien 20 Verdächtige, darunter Mitglieder des Islamischen Dschihad, festgenommen worden. Auch Waffen hätten die Einsatzkräfte entdeckt.

Was heute wichtig wird

Außenministerin Annalena Baerbock bricht zu einer weiteren Reihe von Krisengesprächen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg in den Nahen Osten auf. Geplante Stationen der Reise sind nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien und Israel. Die Grünen-Politikerin wollte am Freitag zunächst nach Abu Dhabi fliegen. Noch im Laufe des Tages solle es weiter in die saudi-arabische Hauptstadt Riad gehen.

Am Samstag steht die Weiterreise nach Israel auf dem Programm. Baerbock besucht Israel bereits zum dritten Mal seit Beginn der Terrorattacken der islamistischen Hamas auf das Land am 7. Oktober. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, im Zentrum der Gespräche stünden unter anderem die Freilassung der deutschen Geiseln, die dramatische humanitäre Lage in Gaza und die deutschen Bemühungen um die Verhinderung eines regionalen Flächenbrands.

Zudem berät der UN-Sicherheitsrat am Freitag erneut über die Lage im Nahen Osten.

@ dpa.de