Nawalnys, Trauerfeier

Bei der Beerdigung des Kremlkritikers Nawalny nimmt die Mutter am offenen Sarg Abschied.

01.03.2024 - 12:36:38

Nawalnys letzter Weg: Trauerfeier zieht Massen an. Vor der Kirche bildet sich eine lange Schlange. Am Rande kommt es zum offenen Protest gegen Präsident Putin.

Bei einer Trauerfeier in Moskau haben Angehörige des im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny am offenen Sarg in der Kirche Abschied genommen. Nawalnys Team zeigte in einem Live-Stream auf Youtube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg.

Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie für ihre eigene Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme riskieren in Russland. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.

Protestrufe gegen Putin

Vor der Kirche hatte sich eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. Viele Menschen klatschten und riefen Nawalnys Namen.

Auch kam es zum Protest gegen Putin. «Russland ohne Putin!», «Putin ist ein Mörder!», «Russland wird frei sein!» und «Nein zum Krieg!» skandierten Menschen im Chor, wie Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichteten. Sie sprachen angesichts des Großaufgebots an Uniformierten der Sonderpolizei Omon von einer angespannten Atmosphäre.

Der Sarg wurde nach der Trauerfeier wieder aus der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone «Lindere meine Trauer» im südöstlichen Bezirk Marjino getragen. Er wurde dann zur Beerdigung auf dem Borissowskoje-Friedhof transportiert. Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde. Die Angehörigen hatten den Körper des 47-Jährigen am Morgen in der Leichenhalle in Moskau mit Verzögerung für die Beerdigung erhalten.

Nawalny setzt den Machtapparat auch nach seinem Tod in höchste Nervosität. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des Oppositionsführers gegen den Kremlchef protestieren könnten. Kremlsprecher Dmitri Peskow warnte, dass jeder Bürger die Verantwortung trage für eine Teilnahme an nicht erlaubten Aktionen auf der Straße. Zugleich antwortete er auf die Frage eines russischen Journalisten, ob der Kreml etwas zum Tod Nawalnys zu sagen habe: «Nein, nichts.»

Todesumstände sind ungeklärt

Putin will sich in zwei Wochen bei einer Wahl als Präsident im Amt bestätigen lassen. Unterstützer und Angehörige Nawalnys sowie Menschenrechtler werfen Putin vor, er habe den russischen Oppositionsführer in Haft ermorden lassen. Der Kreml weist das zurück.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen «Polarwolf» in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von «natürlichen» Ursachen die Rede.

@ dpa.de