Bangladeschs Regierungschefin Sheikh Hasina ist zurückgetreten - so wie es die Demonstranten forderten.
06.08.2024 - 12:51:22Demonstranten: Nobelpreisträger soll Bangladesch regieren. Ein Nobelpreisträger könnte Chef der Übergangsregierung werden.
Nach dem Rücktritt der langjährigen und zunehmend autokratisch regierenden Ministerpräsidentin Sheikh Hasina steht Bangladesch vor ungewissen Zeiten. Die Macht in dem Land mit der zweitgrößten Textilindustrie der Welt liegt nach Angaben von Beobachtern derzeit bei der Armee. Das Parlament ist aufgelöst. Und die Demonstranten wünschen nach Angaben des Studentenführers Nahid Islam, dass Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine Übergangsregierung anführt. Sie soll so lange an der Macht bleiben soll, bis Neuwahlen angekündigt werden. Wann dies passiert, ist unklar. BBC Bangla zitierte eine Sprecherin von Yunus, der Nobelpreisträger sei bereit für diese Rolle.
«Yunus wird von den Studenten als unabhängiger Mann gesehen, der die Interessen des Volkes am besten vertreten kann», sagte Bangladesch-Experte Thomas Kean von der regierungsunabhängigen Crisis Group der Deutschen Presse-Agentur. Yunus und seiner Grameen Bank wurden im Jahr 2006 der Friedensnobelpreis verliehen, weil sie mit kleinen Darlehen vielen Menschen geholfen hatten, der Armut zu entfliehen. Kean zufolge besteht eine gute Chance, dass das Militär auf die Studierenden hört. Sie hätten eine größere Legitimität als die Parteien, die als Teil eines alten politischen Systems gesehen würden. Und das Militär selbst zeigt ihm zufolge wenig Interesse, selbst die Macht zu behalten.
Relative Ruhe nach Gewalt
Nach den wochenlangen Demonstrationen, die am Montag mit dem Sturm des Palastes von Regierungschefin Hasina und ihrer Flucht ins Ausland einen Höhepunkt erreichten, war die Lage auf den Straßen der Hauptstadt Dhaka am Morgen vorwiegend ruhig. Eine von Hasina verhängte Ausgangssperre wurde wieder aufgehoben. Auf den Straßen waren aber nur wenige Menschen - auch aus Sorge, es könnte erneut zu Zusammenstößen kommen.
Noch in der Nacht davor soll es Berichten zufolge zu weiterer Gewalt gekommen sein. Mehr als hundert Menschen seien im ganzen Land getötet worden, berichteten lokale Medien unter anderem unter Berufung auf örtliche Behörden. Bei den Opfern soll es sich demnach vorwiegend um Gefolgsleute von Hasina gehandelt haben. Protestierende haben den Berichten zufolge auch Häuser von Parteiangehörigen von Hasinas Awami-Liga gestürmt und geplündert.Â
Ex-Premierministerin aus Hausarrest entlassen
Hasina war die vergangenen 15 Jahre ununterbrochen Regierungschefin. Menschenrechtsorganisationen warfen ihr vor, gezielt gegen Kritiker vorgegangen zu sein. Tausende wurden verhaftet. «Ein Grund für die breite Unterstützung der Protestbewegung ist die Tatsache, dass das Land seit 15 Jahren keine Wahlen mit echter Konkurrenz gesehen hat», erklärte Experte Kean. Die jetzige Krise sei eine Möglichkeit, das Land wieder in Richtung echte Demokratie zu führen. Auch hoffe er auf Reformen.
Unterdessen teilte das Büro von Präsident Mohammed Shahabuddin mit, dass die frühere Regierungschefin und politische Rivalin von Hasina, Khaleda Zia, nach Jahren unter Hausarrest wieder frei sei - nur Tage vor ihrem 79. Geburtstag. Sie war 2018 nach Vorwürfen der Veruntreuung von Geldern, die für Waisen gedacht waren, zunächst ins Gefängnis gekommen. Später war sie im Hausarrest. Es wurde auch angekündigt, dass im Zuge der Proteste festgenommene Demonstranten freigelassen werden sollen. Örtlichen Medienberichten zufolge wurden mehr als zehntausend Menschen in den vergangenen Wochen festgenommen.
Bei den Protesten seit Juli hatten zunächst Studierende die geplante Wiedereinführung einer kontroversen Quotenregelung für Jobs im Öffentlichen Dienst kritisiert, die später vom Obersten Gericht zurückgedreht wurde. Aber auch danach weiteten sich die Unruhen aus.Â
Mehr und mehr Bevölkerungsgruppen forderten den Rücktritt Hasinas. Die Regierungschefin versuchte, die Proteste mit aller Härte niederzuschlagen. Sie ordnete Ausgangssperren an, blockierte zeitweise das Internet und schicke Polizei sowie Armee durch das Land. Bei Zusammenstößen mit Demonstranten wurden örtlichen Medienberichten zufolge mehr als 300 Menschen getötet.Â
«Hasina besiegelte ihr Schicksal, als sie beschloss, auf die Proteste mit Brutalität und Arroganz zu reagieren, anstatt einen ernsthaften Dialog mit den Protestführern zu führen», sagte Crisis Group-Experte Kean.Â
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