Deutschland, Palästinenser-Hilfe

Außenministerin Baerbock besucht zum dritten Mal seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas Israel.

11.11.2023 - 17:18:36

Deutschland stockt humanitäre Palästinenser-Hilfe auf. Diesmal reist sie auch in die palästinensischen Gebiete. Sie will ein Zeichen setzen.

Deutschland stockt seine humanitäre Hilfe für die palästinensischen Gebiete angesichts des Leids der Zivilbevölkerung im Gazastreifen um weitere 38 Millionen Euro auf. Das kündigte Außenministerin Annalena Baerbock nach einem Gespräch mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje in Ramallah im Westjordanland an.

Damit werde Deutschland im laufenden Jahr über 160 Millionen Euro für die palästinensischen Gebiete zur Verfügung stellen. Zugleich warnte die Grünen-Politikerin vor einem Übergreifen der Gewalt auf das Westjordanland.

Von den 38 Millionen Euro zusätzlicher Hilfe für die Palästinenser sollen 25 Millionen an das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA, 10 Millionen an das Welternährungsprogramm und knapp 3 Millionen an das UN-Nothilfebüro (OCHA) gehen.

«Die Zukunft der Palästinenserinnen und Palästinenser muss besser sein als ihre Gegenwart und Vergangenheit», sagte Baerbock. Es sei auch im Interesse Israels, dass die Palästinenser selbstbestimmt in einem eigenen Staat ihre Zukunft bestimmen könnten. «Dafür ist es so zentral, dass nicht noch auch das Westjordanland von Gewalt und Zerstörung erfasst wird.» Ein erster wichtiger Schritt für die Menschen in Gaza seien die humanitären Pausen. «Diese müssen weiter ausgebaut werden.» Zudem brauche es mehr humanitäre Zugänge. «Das, was wir jetzt haben, reicht bei weitem nicht aus.»

Baerbock: Zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden

Nach einem Treffen mit dem israelischen Außenminister Eli Cohen wies Baerbock angesichts der sich zuspitzenden Lage der Krankenhäuser im Gazastreifen auf das humanitäre Völkerrecht hin. «Das humanitäre Völkerrecht kennt zivile Opfer. Es beinhaltet jedoch zugleich klare Leitplanken», sagte sie. «Dazu gehört sowohl das Gebot, die Zivilbevölkerung zu schützen, als auch die Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Zielen.» Die Antwort auf die Frage, wie Israel im Gazastreifen vorgehe, «berührt auch die langfristige Sicherheit Israels», sagte Baerbock.

Krankenhäuser seien besonders sensible Orte im Rahmen des humanitären Völkerrechts, sagte Baerbock. «Daran hat sich Israel wie jeder Staat der Welt zu halten. Genauso, wie Israel wie jeder andere Staat der Welt das Recht hat, sich zu verteidigen.» Krankenhäuser seien in bewaffneten Konflikten von der Genfer Konvention besonders geschützt. Wenn sie aber für Militäraktionen oder als Kommandozentralen genutzt würden, könnten sie ihren besonderen Schutzstatus auch verlieren.

Baerbock verurteilt Siedlergewalt

Die zunehmende Gewalt durch radikale israelische Siedler verurteile sie aufs Schärfste, sagte Baerbock. Straf- und Gewalttaten gegen die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland müssten unterbunden und strafrechtlich verfolgt werden. «Israel hat hier eine zentrale Verantwortung für den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung. Denn die Siedlergewalt, sie schadet auch der Sicherheit Israels.»

Die Lage im Westjordanland hat sich seit Beginn des Krieges deutlich verschärft. Mehr als 175 Palästinenser wurden laut palästinensischem Gesundheitsministerium getötet. Es gibt auch mehr Berichte über Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser.

Treffen mit Angehörigen von Opfern und Geiseln der Hamas

Nach Außenminister Cohen kam Baerbock auch mit Oppositionsführer Jair Lapid zusammen. Am späteren Abend wollte sie den Oppositionspolitiker Benny Gantz treffen, der dem Kriegskabinett von Regierungschef Benjamin Netanjahu angehört.

Zudem traf die Ministerin Angehörige von Geiseln der Hamas und von bei dem Terrorangriff am 7. Oktober Getöteten. Am Abend kam sie mit einem arabischstämmigen Israeli und Leiter einer Organisation zusammen, die sich für Versöhnung einsetzt. Dessen Cousin war als Sanitäter bei dem von der Hamas überfallenen Friedensfestival eingesetzt und wurde ermordet. Zudem sprach sie mit dem Sohn einer jüdischen Friedensaktivistin, die von der Hamas entführt wurde.

Treffen mit Katars Ministerpräsident und saudischem Außenminister

In der saudischen Hauptstadt Riad hatte Baerbock am Vormittag mit dem Ministerpräsidenten und Außenminister von Katar, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, gesprochen. Im Anschluss traf sie den saudischen Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud. Saudi-Arabien und die Emirate gelten wie Katar als einflussreiche mögliche Vermittler, etwa wenn es um die Befreiung der Hamas-Geiseln und eine künftige Friedenslösung geht.

Die islamistische Hamas hatte bei ihrem Angriff auf Israel nach neuen Schätzungen nicht nur rund 1200 Menschen umgebracht, sondern auch etwa 240 Geiseln genommen. Nach Angaben der Familien haben etwa 20 der Verschleppten auch den deutschen Pass.

Baerbock wirbt erneut für humanitäre Feuerpausen

Nach den Gesprächen in Saudi-Arabien hieß es aus Delegationskreisen, es habe bei den Treffen mit Vertretern Katars und Saudi-Arabiens Einigkeit bestanden, «dass es humanitäre Feuerpausen braucht, die auch Versorgung mit humanitärer Hilfe erlauben». Forderungen nach einer sofortigen Waffenruhe wie die des französischen Präsidenten Emmanuel Macron wies die Bundesaußenministerin erneut zurück. Einig sei man sich auch darüber gewesen, dass es Frieden für Palästinenser und Israelis nur mit einer Perspektive auf eine Zwei-Staaten-Lösung geben könnte, hieß es weiter.

@ dpa.de